Es ist die Geschichte von Werden und Vergehen, einem nie enden wollenden Nicht-Verstehen. Die Frage danach, warum der Mensch nicht existieren kann, ohne dass er andere zum Untergang verdammt. Und er bei der Suche nach sich selbst dieses permanent verfälscht.
Angenommen, Atlantis existierte. Warum musste es untergehen? Während sich die Mythen über sein Verschwinden um Polsprünge, Meteoriteneinschläge oder den Zorn der Götter ranken, sieht eine Theorie die Ursache im Okkultismus: Die Anwendung schwarzer Magie in ihrer Hauptstadt Poseidonis habe eine solche Destruktivität und Lebensverneinung auf die Erde gebracht, dass dieser kein anderer Ausweg geblieben sei, als sie, um das Gleichgewicht von Licht und Dunkel wieder herzustellen, von ihr verschwinden zu lassen.
Antinatalismus
Mythen hin oder her. Dunkle Kräfte existieren auch heute. Hierbei erwecken Begriffe wie Luziferianismus oder Satanismus schnell Assoziationen mit Geheimbünden, die für sich genommen keine Berührungspunkte mit unserem Leben haben. Wer jedoch seinen Blick auf die derzeitigen Inzenierungen innerhalb der Kunst- und Musikbranche richtet, den beschleicht schnell das Gefühl, er wohne einer rituellen Teufelsanbetung bei. Ähnlich fassungslos – wie an seiner eigenen Unversehrtheit zweifelnd – lassen einen Berichte über die Ingredienzien der Agrar-, Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie zurück. Neben ihrer «Chemieindustrialisierung» macht spätestens die aktive Verdrängung von Hebammen und gleichzeitige Zunahme von Kaiserschnitten deutlich: Nicht nur scheint sich mittlerweile alles gegen das natürliche Entstehen von Lebendigem zu richten, auch sind es größtenteils nicht mehr wir, die dieses «Leben» in der Hand zu haben scheinen.
Dieses zunehmend anzutreffende «Ideal», sich mehr dem Tod als dem Leben zuzuwenden, pflege ich unter dem Begriff «Antinatalismus» zusammenzufassen. Als politische Strömung meint dieser schließlich nicht nur freiwillige Kinderlosigkeit: Im Sinne des Materialismus ist er das Verneinen allen Aufkeimens neuen Lebens – aus Angst, dieses könnte das Leben des bereits Lebendigen weniger lebenswert machen. Getarnt als Moraltheorien, die nichts weiter möchten, als zukünftiges Leiden verhindern, findet das Aussterben der Menschheit vielerorts seinen institutionellen Rückhalt: im Club of Rome mit seinem Bericht über «Die Grenzen des Wachstums», in Vereinigungen wie Planned Parenthood und dem seit den 1970ern existierenden Voluntary Human Extinction Movement («Bewegung für das freiwillige Aussterben der Menschheit»), oder in der Religionsgemeinschaft Church of Euthanasia, die für die Rettung der Erde durch Abtreibung, Suizid, Kannibalismus und Analverkehr wirbt.
Wo wir auch hinschauen, versucht man uns die Geschichte einer zum Aussterben angeratenen Menschheit nicht nur zu erzählen, man versucht sie umzusetzen: Seit Jahrzehnten erleben wir eine Zunahme an «Identitätsstörungen» wie Infragestellen der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens; unser Familienbild wird davon weggerückt, traditionelle Werte als etwas Orientierungsstiftendes und Erhaltenswertes anzusehen; Schwermetalle, Hormone und Mikroplastik in Leitungswasser, Nahrung, Medikamenten oder Kleidung senken unsere Fruchtbarkeit; und das ursprüngliche Bild von Kindern als etwas Sinnstiftendes und Lebens-Bejahendes wird in eine aktive Verteufelung ihrer Wenigkeit als Klimaschädlinge, sinn-verfremdende Zeitdiebe sowie – folgerichtig – als Ende jeder Freiheit verkehrt.
Von Intention und Projektion
Im Anbetracht eines möglichen Klimawandels oder dem Ansteigen von Meeresspiegel und Temperaturen stellt sich somit für mich die Frage, inwiefern uns all dies überhaupt noch Kummer bereiten sollte, möchten wir als Menschheit doch ohnehin nicht mehr leben? Oder geht es schlussendlich nicht darum, alle Menschen aussterben zu lassen, sondern eben nur die, die sich Klima nicht «leisten» können? Der geplante Handel mit CO2-Kontingenten legt dies zumindest nahe.
Wie dem auch sei: Für wen treffen wir all die Maßnahmen, wenn nicht für uns? Für die Tiere, für die Natur? Für die Erde? Klimaschutz für die Erde? Frühere Eiszeiten, Eisbohrkerne, Oktopus-Fossilien im Allgäu oder Wasserrillen an den Pyramiden mal außer Acht gelassen — lässt sich nicht spätestens aus der Tatsache, dass das Vegetationsoptimum zwischen 1000 und 1400 ppm liegt – und alles Wachstum bei unter 140 ppm aufhört (wir liegen derzeit bei 418 ppm)1 – schlussfolgern, dass nicht nur das Klima einem immerwährenden Wandel unterliegt, sondern darüber hinaus auch eine CO2-Reduktion genau das Gegenteil von dem bezwecken würde, was wir vorgeben zu wollen: «die Natur retten»?
Davon mal abgesehen, dass unser Handeln seine ursprüngliche Intention nicht zu bezwecken vermag: Wer meinen wir zu sein, dass wir ernsthaft glauben, wir könnten die Erde «retten»? Und überhaupt: Wer darf darüber entscheiden, ob die Erde a) Rettung bedarf sowie b) wir dazu befugt sind, in ihr Werden und Vergehen einzugreifen? Ist dieses Helfersyndrom nicht bloß eine weitere Ebene jener Hybris, die die «ökologische Krise» – wie ich sie richtigerweise bezeichnen würde – erst hervorgebracht hat? Inwiefern sollte unsere beschränkte Vorstellungskraft darüber, wie die Erde einmal war, darüber entscheiden, wie sie jetzt sein soll?
Erfahrungen eines größeren Lebens
Ist es nicht vielmehr Zeit zu erkennen, dass die Umweltzerstörung ein reines Abbild unserer eigenen Innenweltverschmutzung ist? Gilt es nicht vielmehr, erst uns ins Gleichgewicht zu bringen, ehe wir dazu übergehen, der Erde unsere Vorstellung ihres Gleichgewichts vorzuschreiben? Oder vielmehr: Ergibt sich das äußere Gleichgewicht nicht vielleicht sogar aus einem Gleichgewicht in unserem eigenen Inneren?
Überlegungen wie diese traf der Berliner Naturphilosoph Jochen Kirchhoff bereits 1998 in seinem Buch «Was die Erde will». Die Frage danach, ob wir mit der Natur zerstörerisch umgehen – oder nicht –, hängt für ihn von fünf Grundverhältnissen ab: Wie stehen wir zu unserem Leib – und damit zur Gesundheit und Krankheit? Wie zum Tod – zum Absoluten, zur Transzendenz, zu Atman oder Brahman? Wie zu Pflanze und Tier? Wie zum Eros? Und brauchen wir ein neues Bewusstsein, das Denken, Fühlen und Wollen mit Kosmos und Erde verbindet?
Anders als der italienische Dichter und Astronom Giordano Bruno, für den es außer Frage stand, dass die Gestirne lebendige Organismen sind, haben wir das Bewusstsein, menschgewordene Natur zu sein, entweder nicht mehr, oder nie gehabt. Diesen «Irrläufer der Evolution» führt Kirchhoff auf den «Göttersturz» zurück: Weil laut diesem der Weltprozess aus dem Abstieg eines hohen Bewusstseinswesens hervorgegangen sei, leide der Mensch zunehmend an einer Neurose, einer «Abspaltung von oben», einer Dissoziation von Ich und Kosmos. Diese «Involution» ließe sich laut Kirchhoff nur auf einem Wege umkehren: Es gilt, «zu den Wurzeln der Neurose vorzustoßen und uns (wieder) zu verbinden mit jener tieferen und eigentlichen Wirklichkeit, die uns trägt und nährt und ohne die wir verdorren». Denn was auch immer das Schicksal, das wir so unentwegt von uns abzuwenden versuchen, für uns bereitzuhalten mag – eins sollte uns klar sein: In der abtrünnigen Art und Weise, in der wir derzeit auf die Welt zugehen, werden wir niemals ankommen.
Gottfried Benn — Verlorenes Ich
Verlorenes Ich, zersprengt von Stratosphären,
Opfer des Ion −: Gamma-Strahlen-Lamm −,
Teilchen und Feld −: Unendlichkeitschimären
auf deinem grauen Stein von Notre-Dame.
Die Tage gehn dir ohne Nacht und Morgen,
die Jahre halten ohne Schnee und Frucht
bedrohend das Unendliche verborgen −,
die Welt als Flucht.
Die Welt zerdacht. Und Raum und Zeiten
und was die Menschheit wob und wog,
Funktion nur von Unendlichkeiten −,
die Mythe log.
Woher, wohin – nicht Nacht, nicht Morgen,
kein Evoë, kein Requiem,
du möchtest dir ein Stichwort borgen −,
allein bei wem?
Ach, als sich alle einer Mitte neigten
und auch die Denker nur den Gott gedacht,
sie sich den Hirten und dem Lamm verzweigten,
wenn aus dem Kelch das Blut sie rein gemacht,
und alle rannen aus der einen Wunde,
brachen das Brot, das jeglicher genoß -
o ferne zwingende erfüllte Stunde,
die einst auch das verlorne Ich umschloß.
Dieser Text erschien in leicht veränderter Form und ohne Gedicht zuerst bei «Die Freien».
https://www.regenauer.press/klima-kartelle-und-korruption
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