Technokratische Dammbrüche
Das mechanisierte Weltbild und seine gesamtgesellschaftlichen Verblendungszusammenhänge. Sinnfragen in Zeiten des "großen Umbruchs".
“You’ll own nothing. And you’ll be happy”. So lautet eine der Vorhersagen des World Economic Forum für unsere Welt im Jahre 2030. Warum es mir bei solchen Sätzen kalt den Rücken herunterläuft und weshalb das Kommando “Built back better” – unter dem die von NATO, UNO und WEF vorangetriebene Agenda des “Great Reset” läuft – schlussendlich nur “ein weiteres Beispiel für reiche, mächtige Eliten ist, die unter philantrophischen Vorwänden versuchen, ihr Gewissen zu retten, sich dabei aber nur noch reicher und mächtiger machen”, versuche ich in diesem Text zu verdeutlichen.
Erfordert die Krise den Umbruch oder brauchte der Umbruch erst eine Krise?
“The Great Reset” war ursprünglich der Titel des 50. Jahrestreffens des World Economic Forum (WEF), welches im Juni 2020 stattfand. Einberufen von Prince Charles, wurden hier die erfolgreichsten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik versammelt. Laut Klaus Schwab, dem Gründer des WEF, einer in Genf ansässigen Stiftung und Lobby-Organisation, habe die Covid-19 Pandemie uns an einen “Scheideweg” geführt: Entscheide man sich für “den richtigen Weg”, könne dieser “uns in eine bessere Welt führen – integrativer, gerechter und respektvoller gegenüber Mutter Natur”1.
“Man” ist in diesem Fall das Weltwirtschaftsforum selbst. Für dieses ließe sich eine globalisierte Welt am besten von einer selbstgewählten Koalition aus multinationalen Konzernen, Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) verwalten lassen. Hierbei könne die Corona-Krise “den Tod des Neoliberalismus” einläuten und so zu einer “massiven Umverteilung des Reichtums [..], von den Reichen zu den Armen und vom Kapital zur Arbeit”2 führen. Indem man Bedingungen für eine „Stakeholder Economy“ schaffe, bewege sich die Nadel auf “der Wahlscheibe zwischen Regierung und Märkten” entschieden nach links3. Weniger Macht den korrupten Konzernen, mehr für die dem Bürger wohlgesonnenen Politiker.
Schön gesagt, aber… was für eine ins Absurde gesteigerte Heuchelei.

Manufacturing Consent
Wer einmal für die systemischen und strukturellen Gründe der Konsensbildung sensibilisiert ist, versteht, welches Spielchen hier gespielt wird, um die plutokratischen Ziele von WEF und Konsorten zu verschleiern: Ziel ist die Kontrolle des öffentlichen Bewusstseins, zugunsten des ideologieähnlichen Erneuerungszwangs des kapitalistischen Systems. Um größere Krisen zu verhindern, müssen Regierung und Bevölkerung dem “neuen Zeitalter des Imperialismus” den “Weg frei machen”4. Kreiiert wird eine apodiktische Alternativlosigkeit: Wenn wir nicht an Klimawandel, Überpopulation oder Inflation zugrunde gehen wollen, brauchen wir den Great Reset.
Dies gleicht einer Neusprech-Version des “Konsens von Washington”: Um die Regierungen zur Förderung von wirtschaftlicher Stabilität anzuweisen, wird ein Konglomerat wirtschaftspolitischer Maßnahmen beschlossen. Das magische Trio lautet dieses Mal jedoch nicht Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung (wir wollen schließlich keinen Neoliberalismus mehr (zu viel Korruption, Kapitalinteresse und Monopolisierung)). Die jetzige Agenda läuft unter dem Motto Innovation, Wissenschaft und Technologie (Prinz Charles) oder Interdependenz, Geschwindigkeit und Komplexität (Schwab). Drei Worte scheinen zu genügen, um jedem dystopischen Überwachungskapitalismus Tür und Tor zu öffnen: Noch mehr Globalismus, ein robusteres internationales Gesundheits-, Energie- und Bildungssystem als weitere Aufweichung von Staatsgrenzen sowie die Schwächung nationaler Autonomien zugunsten einer "universaleren Regierungsführung".
Es wird keine “gerechtere” Welt geben. Zumindest nicht unter diesen Bedingungen des Missvertrauens, der Lüge und Intransparenz. Viele der Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeits-Euphemismen unserer Zeit entpuppen sich als genauso leer und realitätsfern, wie die Persönlichkeiten, die sie verkünden. Jene “lebhaften Gespräche und hitzigen Debatten”, die vorgaukeln, “zwischen dem Nutzen für die öffentliche Gesundheit und dem Verlust der Privatsphäre sorgfältig [abzuwägen]”5, wirken für dermaßen vorgefertigt und unausgewogen, dass man oft schon bei der Gästeauswahl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen könnte.
Wer das Monopol auf Wahrheit hat, bestimmt den Konsens
Menschen, die auf die Lücken im Diskurs sowie die falschen Zahlen und Statistiken (auf denen wiederum der gesamte Diskurs aufbaut) aufmerksam machen wollen, werden nicht nur nicht gehört, ihre Thesen gelten a priori als Verschwörungs-theorien. Man macht sich nicht einmal die Mühe, sie zu widerlegen. Lieber zerlegt man – à la argumentum ad hominem – direkt die Person. Unsere Debatten sind Scheindebatten. Es geht nicht darum, einen fairen Diskurs zu führen, geschweige denn etwas zur Wahrheitsfindung beizutragen. “Die Wahrheit” wurde im Vorwege bereits festgelegt. Wer etwas an dieses hermetisch abgeriegelte Konsensimperium herantragen will, wird noch vor seinen Paywalls zersetzt. Abseits “der Mitte” gibt es nicht. Andernfalls erlebst du:
systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender, sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben
systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen
Erzeugung von Zweifeln an der persönlichen Perspektive; Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen

Das, was hier passiert, ist alles andere als integrativ, gerecht oder demütig gegenüber der Natur. Unsere Politiker - daraufhin die Medien - agieren dissoziativ: Sie diffamieren, erschaffen durch Sündenböcke in- and out-groups und zersetzen damit jedes noch so kleine soziale Gefüge. Freundschaften, Beziehungen, Familien - alles wird porös. Schlussendlich fragmentieren sie das Leben als solches, spalten es in möglichst kleine, kontrollierbare Teile auf. Solange, bis das, was sich einst Leben genannt hat, nicht mal mehr als “Summe seiner Teile” erkennbar ist.
“Je mehr die Entwicklung der Technik körperliche Arbeit überflüssig macht, desto eifriger wird diese zum Vorbild der geistigen erhoben, welche nicht in Versuchung kommen darf, eben daraus die Konsequenzen zu ziehen. Das ist das Geheimnis der Verdummung, die dem Antisemitismus zugutekommt. Wenn selbst innerhalb der Logik der Begriff dem Besonderen nur als ein bloß Äußerliches widerfährt, muß erst recht in der Gesellschaft erzittern, was den Unterschied repräsentiert. Die Spielmarke wird aufgeklebt: jeder zu Freund oder Feind. Der Mangel an Rücksicht aufs Subjekt macht es der Verwaltung leicht. Man versetzt Volksgruppen in andere Breiten, schickt Individuen mit dem Stempel Jude in die Gaskammer.” - Adorno und Horkheimer6
Wenn die Wissenschaft zur Legislativen wird
Unsere vermeintlich objektive Wissenschaft verkündigt tagtäglich neue Sein-Sollen-Fehlschlüsse. Durch ihre Verstrickung mit der Politik wird sie somit zur Technokratie. Sie wird normativ. Ihr Binden an Sachzwänge stellt durch das gleichzeitige Ausklammern einer “politisch-demokratischen Willensbildung” eine Art Entmündigung durch Experten dar. Somit scheint nichts einfacher zu beschränken als der mentale Horizont einer, sich für frei und selbstbestimmt haltenden, Gesellschaft. Gesetze, Normen, Dogmen sowie die sich aus diesen ergebenden präformativen Sprechakte. Regularien kontrollieren die Sprache und die Sprache bestimmt das Sein.
Was aber machst du, wenn du die Regularien der Gesellschaft, in der du zu leben versuchst, nicht mehr nachvollziehen kannst, sie ja gar für falsch und unrecht hältst? Wenn du sowohl die Sprache wie auch das Sein deiner Mitmenschen nicht mehr verstehst? Dich fremd, ausgestoßen und diskriminiert fühlst? Rebellierst du, um so auf das, von dir als solches empfundene, Vergehen aufmerksam zu machen? Auf ein Unrecht, das von der Mehrheit deiner Mitmenschen als gerecht abgestempelt wird? Was ist, wenn sich deine Freunde von dir abwenden, du deinen Job verlierst, deine Konten gesperrt werden? Rebellierst du dann immer noch?
Manchmal ist es wirklich zum Verzweifeln. Wie willst du Menschen “aufwecken”, die Zuckerbergs Aufruf folgen, Nacktfotos hochzuladen, um dem Risiko eines Rachepornos zu entgehen? Die Leute laden – wider aller Enthüllungen über das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten laden – freudig Apps zur Kontaktverfolgung herunter und lassen sich obendrein nun vierteljährlich etwas injizieren, dass von Herrn Oelrich (Mitglied des Aufsichtsrates des Universitätsklinikums Charité, Mitglied des Aufsichtsrates des Berlin Institute of Health und Mitglied des Vorstandes der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland) öffentlich als “Gentherapie” deklariert wurde… Während der mit dem Vakzin eingeführte Green Pass sich neuerdings auch via Biochip scannen lässt, droht Julian Assange - im Falle seiner Auslieferung an die USA - lebenslange Haft. Es ist ein erbärmliches Zeugnis an unser aufklärerisches Erbe und unseren vermeintlich humanistischen Geist.
Menschsein in Zeiten des "großen Umbruchs"
Die Gesellschaft, in der ich so unbesorgt aufwachsen durfte, erzeugt systemimmanent Leid. Das weiß ich schon etwas länger. Seien es nun die Defizite der menschlichen Moral oder die allmähliche Kommodifizierung alles Irdischen, die unser Verantwortungsbewusstsein räumlich entkoppeln und damit unwirksam werden lassen – meine Sorge darüber, ob der Mensch nicht sich und sein Selbst dabei aus dem Blick verliere, wächst stündlich. Es ist das Grauen vor dem endgültigen Bezugs- und damit auch Realitätsverlust des Menschen als solchem. Die Sorge darüber, dass wir, sollten wir nur noch denken und aufhören zu fühlen, auch aufhörten, Mensch zu sein.
Das, was Adorno und Horkheimer7 als das „mythische Grauen der Aufklärung“ bezeichneten, scheint folglich nicht nur im Entwelten der Welt zu enden. Indem er sich in seiner Angst vor „dem Unbekannten“ dem Kalkül kalter Zahlen unterwirft, wird der Mensch seines situativ-intuitiven Gefühls für Weltwirklichkeit beraubt Dieses „Prinzip der blinden Herrschaft“ über die Dinge scheint „bis ins Denken selbst hinein als unversöhnte Natur zu erkennen“.
Indem es auf das Sein als auch Bewusst-Sein der Menschen zurückzuschlagen droht, erweist es sich als gesamtgesellschaftlicher „Verblendungszusammenhang“8 : Die ursprüngliche Intention, die Welt von Mythen und Ideologien zu befreien und somit Einbildung durch Bildung zu ersetzen9, scheint letztendlich darin zu krönen, das Selbst zu entmenschlichen und die Welt auf „einheitswissenschaftliche“ Termini zu reduzieren. In ihrer vermeintlichen Berechenbarkeit werden beide standardisiert

“Gehörte im Liberalismus Individuation eines Teils der Bevölkerung zur Anpassung der Gesamtgesellschaft an den Stand der Technik, so fordert heute das Funktionieren der wirtschaftlichen Apparatur die durch Individuation unbehinderte Direktion von Massen. Die ökonomisch bestimmte Richtung der Gesamtgesellschaft, die seit je in der geistigen und körperlichen Verfassung der Menschen sich durchsetzte, läßt die Organe des Einzelnen verkümmern, die im Sinne der autonomen Einrichtung seiner Existenz wirkten. Seitdem Denken ein bloßer Sektor der Arbeitsteilung wurde, haben die Pläne der zuständigen Experten und Führer die ihr eigenes Glück planenden Individuen überflüssig gemacht. Die Irrationalität der widerstandslosen und emsigen Anpassung an die Realität wird für den Einzelnen vernünftiger als die Vernunft. Wenn vordem Bürger den Zwang als Gewissenspflicht sich selbst und den Arbeitern introjiziert hatten, so wurde inzwischen der ganze Mensch zum Subjekt-Objekt der Repression. Im Fortschritt der Industriegesellschaft, die doch das von ihr selbst gezeitigte Gesetz der Verelendung hinweggezaubert haben soll, wird nun der Begriff zuschanden, durch den das Ganze sich rechtfertigte: der Mensch als Person,als Träger der Vernunft. Die Dialektik der Aufklärung schlägt objektiv in den Wahnsinn um” Adorno und Horkheimer10
Manchmal stehe ich einfach nur fassungslos da und frage mich,
wie lange wollen wir noch in dieser Lüge leben?
wie viel Falschheit vermag der Mensch noch zu ertragen?
wie sehr lässt sich das Leben verfremden, bis es nicht mehr lebenswert ist?
ab wie viel Gefühlsverlust ist der Mensch kein Mensch mehr?
warum geht es den Bösen so gut und den Guten so böse?
was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt besitzt, dabei aber sich selbst verliert?
Um einiges aus diesem Text etwas greifbarer werden zu lassen, empfiehlt es sich, im Anschluss an diesen Text meinen Artikel zu Naomi Kleins “Schokdoktrin” zu lesen.
Literatur(-empfehlungen):
Adorno, Theodor W.; Horkheimer, Max (2019): Dialektik der Aufklärung. 24. Auflage. Frankfurt am Main.
Chomsky, Noam (2000): Profit over people. Neoliberalismus und globale Weltordnung. Deutsche Erstausg., 2. Aufl. Hamburg (Europa-Verlag).
Illich, Ivan (1979): Entmündigung durch Experten. zur Kritik der Dienstleistungsberufe. Reinbek bei Hamburg (Rowohlt).
Schwab, Klaus / Malleret, Thierry (2020): Covid-19. Der Grosse Umbruch. Fishers, Indiana 46038, USA.
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Schwab 2020, S. 185
(ebd., S. 59)
(ebd., S. 68)
(Chomsky 2000, S. 23)
Schwab 2020, S. 123
Adorno und Horkheimer 2019, S. 246
ebd., S. 45
ebd., S. 59f.
ebd. S. 15
ebd., S. 247f