«Das Bewusstsein tötet sich selbst, indem es sich von einem Zustand löst,
sodass es den Zustand annehmen kann, nach dem es verlangt.»
Unser ganzes Leben lang können wir damit verbringen, im Außen nach dem zu suchen, was wir uns im Innern wünschen. Wir können durch Reflexion noch so sehr «erkannt» haben, warum unsere letzte Beziehung gescheitert ist und wie unser nächster Partner folglich zu sein habe. Wir können jemanden an unserer Seite wollen, der «im Herzen» ist und dessen Leben in geordneten Bahnen verläuft, den wir sexuell anziehend finden und dessen Geschichten wir allein aus dem Grund gerne zuhören, weil wir sie lebendig und authentisch finden. In unserem Kopf können wir all’ dies bereits beschlossen haben – doch es wird nichts nützen. Denn um zu bekommen, was wir uns wünschen, müssen wir zunächst einmal werden, was wir uns wünschen. Es wird keine solche Liebe in unser Leben treten, versinkt dieses selbst im Chaos, sind wir selbst nicht im Herzen oder auf sexueller Ebene nicht selbst mit uns und unserem Körper im Reinen. Mal ganz abgesehen davon, dass wir, bevor wir dies nicht selber tun, eigentlich von niemandem erwarten können, dass er uns so liebt, wie wir sind.
Gleich ich dieses Dilemma bereits aus eigener Erfahrung kenne, entspricht dieses – entweder als Belehrung oder als Weisheit aufzufassende – Prinzip nicht allein meiner Fehde, sondern dem «Gesetz der Anziehung». Anlehnend an meinen letzten Text und die sieben «hermetischen Prinzipien» gilt dieses als «Basis der kosmischen Harmonie», dessen Resonanzprinzip dafür Sorge trägt, dass sich diese Erde und alles, was in ihr existiert, ständig in einem perfekten Gleichgewicht befindet. Gemäß seiner Maxime «Gleiches zieht Gleiches an» erscheint keine einzige Sache in unserem Leben, ohne dass wir sie nicht selbst herbeigerufen hätten. Alles in dieser Welt wird zu jenem Bewusstseinszustand gezogen, mit dem es harmoniert. Entsprechend werden auch alle Dinge weggezogen von jenem Bewusstseinszustand, mit dem sie nicht harmonieren. In seinem Buch «Bewusstsein ist die einzige Realität» beschreibt Neville Goddard diese innere Bewegung wie folgt:
«Sie können nicht zwei Herren dienen bzw. zwei Bewusstseinszuständen. Indem Sie Ihre Aufmerksamkeit von einem Zustand abziehen und auf einen anderen lenken, lassen Sie den einen absterben und beleben den anderen, mit welchem Sie nun vereint sind und drücken ihn in Ihrer Welt aus.»
Der Schlüssel zu diesem belebten Bewusstsein über das, was wir uns selbst zu sein wünschen, lautet für Goddard Vertrauen. Darauf zu vertrauen, nicht nur immer noch wir selbst zu sein, haben wir einmal das losgelassen, womit wir uns bislang noch identifizieren, sondern vielmehr dem ein Stück weit näher gekommen zu sein, was dieses «Selbst» im Kern für uns bedeutet. Solange wir jedoch nicht bereit sind, jenes Bild zu übermalen, das wir solange von und vor uns aufrechterhalten haben, werden wir weiterhin genau die Begegnungen und Situationen herbeiführen, die uns in diesem Bild von uns selbst mitsamt unseren Ängsten und Glaubenssätzen bestätigen. Wir werden weiterhin nur das hören, was wir selbst über uns denken; weiterhin nur das erkennen, was wir selbst bereit sind, auch bei uns anzugucken. Erst wenn wir uns innerlich von dem getrennt haben, womit wir uns identifizieren, sind wir bereit, die Reichweite unseres Hörens zu vergrößern und unserem Spiegelkabinett eine weitere Reflexion anbeizufügen. Diesen Akt der Selbstermächtigung als Ende einer kosmischen Opferhaltung beschrieben bereits die Autoren des Kybalions:
«Wenn ihr euch euer Leben anschaut und alles, was euch widerfährt, äußeren Einflüssen – ob nun gut oder schlecht – zuschreibt, dann redet ihr von Fremdbestimmung - doch die gibt es einfach nicht. Du bist die einzige Kraft, die irgendetwas in dein eigenes Leben hineinziehen kann. Niemand anderes kann deinem Leben etwas hinzufügen. Nur du kannst deine eigenen Erfahrungen anziehen und empfangen. Du bist der Magnet, der alles in deine Wirklichkeit hineinzieht.»
Fühlen, dass wir sind
Im Kern geht es also darum, immer höher zu schwingen und uns selbst auf die Frequenz zu befördern, auf der das von uns Gewünschte bislang noch um sich selbst oszilliert. Erst wenn wir innerhalb unseres Bewusstseins insoweit aufsteigen, dass sich unser Verlangen völlig natürlich anfühlt und wir den Bewusstseinszustand, in dem wir bereits angenommen haben, das zu sein, was wir uns wünschen, förmlich bewohnen, wird sich auch seine Manifestation in der uns umgebenen Welt ganz natürlich ergeben. «Bewusstsein», schreibt Goddard, «ist die Tür, durch welche das Leben sich selbst offenbart. Das Bewusstsein objektiviert sich immer selbst. Anzunehmen, etwas zu sein oder zu haben, bedeutet es zu sein oder zu haben.»
Für diese Bewusstseinserweiterung entscheidend ist also nicht nur das Wissen darüber, was wir wollen. Um aus diesem formlosen Sein das von uns Erwünschte zu formen, brauchen wir zuallererst ein Gefühl dafür, wer oder was wir sein möchten. Denn obgleich wir allein dadurch, dass wir sind, die Schöpfer unserer Gedanken sind, bedarf es, um das Gesetz des Bewusstseins intelligent anzuwenden, mehr als eine bewusste Entscheidung. Es braucht die Einwilligung unseres Unterbewusstseins. Um sie zu erlangen, gilt es die Beziehung zwischen dem Bewussten und dem Unterbewussten zu verstehen: Das Bewusste, schreibt Goddard, «ist persönlich und selektiv; das Unterbewusste ist unpersönlich und nicht selektiv. Das Bewusste ist der Strom der Wirkung; das Unterbewusste ist der Storm der Ursache. Diese zwei Aspekte sind der männliche und weibliche Teil des Bewusstseins. Das Bewusste ist männlich; das Unterbewusste ist weiblich… Das Bewusste prägt das Unterbewusste, während das Unterbewusste alles ausdrückt, das ihm imprägniert wurde.» Ihrer beiden in Einklang zu bringen, erfordere, so Goddard, Gefühl:
«Das Gefühl ist die Realität des gesuchten Zustands, und das Leben und Handeln nach dieser Überzeugung ist der Weg aller scheinbaren Wunder. Jede Veränderung des Ausdrucks wird herbeigeführt durch eine Veränderung der Gefühle. Eine Veränderung der Gefühle ist eine Veränderung des Schicksals. Jede Schöpfung spielt sich im Bereich des Unterbewussten ab. Was Sie sich aneignen müssen, ist eine reflektierende Kontrolle über die Wirkungsweise des Unterbewussten, das heißt, eine Kontrolle über Ihre Ideen und Gefühle. Wahrscheinlichkeit und Zufall sind nicht verantwortlich für die Dinge, die Ihnen widerfahren, auch ist vorbestimmtes Schicksal nicht der Autor Ihres Glücks oder Unglücks. Ihre unterbewussten Eindrücke bestimmten die Umstände Ihrer Welt. Das Unterbewusste ist nicht selektiv; es ist unpersönlich und nicht wertend. Das Unterbewusste kümmert sich nicht darum, ob Ihr Gefühl wahr oder falsch ist. Aufgrund dieser Qualität des Unterbewussten gibt es nichts, das für den Menschen unmöglich ist. Was auch immer der Verstand des Menschen sich vorstellen und als wahr empfinden kann, kann und muss vom Unterbewussten objektiviert werden. Ihre Gefühle erstellen das Schema, von welchem ausgehend Ihre Welt gestaltet ist, und eine Veränderung des Gefühls ist eine Veränderung des Schemas.
Das Unterbewusste scheitert niemals daran, das auszudrücken, was ihm eingeprägt wurde. In dem Moment, in dem es einen Eindruck erhält, beginnt es mit der Ausarbeitung der Wege, um es auszudrücken. Es akzeptiert das Gefühl, welches ihm imprägniert wird, Ihr Gefühl, als existierende Tatsache, und stellt sich umgehend darauf ein, das genaue Abbild dieses Gefühls in der äußeren oder der objektiven Welt zu erzeugen. Das Unterbewusste ändert die akzeptierten Überzeugungen des Menschen nie. Es erstellt ein Außenbild, passend bis ins kleinste Detail, und unabhängig davon, ob die ausgedrückten Überzeugungen wohltuend sind oder nicht.»
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«Das Unterbewusstsein», so schreibt Goddard an anderer Stelle, «bringt keine Ideen hervor, es akzeptiert lediglich jene Ideen als wahr, die der bewusste Verstand für wahr empfindet, und, auf eine nur ihm bekannte Weise, objektiviert er die akzeptierten Ideen». Folglich besäßen wir, so seine Schlussfolgerung, «Kontrolle über die Schöpfung»: Mithilfe unserer Vorstellungskraft, unserem Gefühl und der Anbindung zu unserer weiblichen – schöpferischen – Energie als auch unserem freien Willen bei der Auswahl der Idee, die wir in dieser Welt verwirklicht sehen wollen, sei es uns möglich, die Wirklichkeit nach unseren Vorstellungen zu gestalten (mehr dazu in meinem vorletzten Text). Mit einer Einschränkung: Indem Ideen sich dem Unterbewusstsein einzig durch das «Medium des Gefühls» imprägnieren lassen, können wir unser Unterbewusstsein und die Ideen, die in ihm aufgehen sollen, nur dann «kontrollieren», wenn wir uns unserer Gefühle bewusst werden; wenn wir in dem Sinne selbst in ihnen aufgehen. Oder anders gesagt: Ohne emotionale Ausdehnung im Innern keine Veränderung im Außen.
«Keine Idee kann dem Unterbewussten imprägniert werden, bevor sie nicht gefühlt wird. Einmal gefühlt jedoch sei sie gut, schlecht oder gleichgültig muss sie ausgedrückt werden. Gefühl ist das einzige Medium, durch welches dem Unterbewussten Ideen übermittelt werden.»
Hinsichtlich Goddards «kontrollieren» von Gefühlen möchte ich an dieser Stelle vielleicht noch anmerken, dass es nicht darum geht, diese einzudämmen, oder überhaupt nicht zu fühlen. Ganz im Gegenteil: Worum es geht, ist ein bewusstes Fühlen. Eben jene bislang als diffuse Energien in uns herumwabernden Emotionsklumpen ans Tageslicht zu befördern, wo sie nicht mehr aus dem «Off» unser tagtägliches Handeln bestimmen und unsere Gedanken emotiv zu lenken vermögen. Wir können unser Leben nicht allein dadurch ändern, dass wir anfangen, uns wie eine Kassette andere Gedanken draufzuspielen. Wenn diese Gedanken keine Verbindung zu unserem Unterbewusstsein herstellen; wenn sie unser Gefühl nicht erreichen, ist die Integration gescheitert. Wollen wir die ureigenste Quelle unseres eigenen Selbstbildes verändern, brauchen wir diese tiefere Verbindung zu unseren Emotionen.
Wir sind, was wir zu sein glauben
Die Frage nach einem sicheren Weg, zu lernen, unsere Gefühle zu fühlen, ist vermutlich eine rhetorische Frage. Vom eigentlichen Fühlen mal ganz abgesehen. Gleich dem ersten hermetischen Prinzip, dass alles «Geist» sei, sind schließlich auch wir geistige Wesen und als solche mit diesem Allgeist verbunden. Worum es beim Fühlen von Emotionen folglich für mich geht, ist, diese Verbindung wieder aufzunehmen und durch sie zu unserem Kern und entsprechend auch dem Kern alles Seienden vorzudringen. Sich auf diesem Übergang «Sicherheit» zu erhoffen, gleicht einem Paradoxon. Denn zweifelsfrei: Dadurch, dass dieser Weg ein geistiger ist, ist er auch ein heiliger und dieser Heiligkeit als geistiges Wesen selbst angehörig kann uns in dem Sinne nichts passieren. Gleichzeitig ist es jedoch gerade diese Heiligkeit, die uns in ihrer unendlichen Allumfasstheit mit einer solchen Energie und einem solchen Allwissen gegenüberzutreten vermag, dass dies auch uns – sterbliche Wesen, die wir schlussendlich dann doch noch sind – aus unseren eigenstgezimmerten, irdischen Bahnen zu werfen vermag.
Was wir tun können, um dieser Allheit insofern standhalten zu können, als dass sie uns zu durchdringen vermag, ohne dass wir selbst unseren Verstand verlieren, ist, zu aller erst Halt in uns selbst zu finden. Bevor wir anfangen, nach einer größeren, höheren Macht im Außen zu suchen und Elfenbeintürme zu erklimmen, sollten wir uns zuerst unserer eigenen Größe bewusst werden. Es wird keine Hilfe von außen kommen, sind wir nicht bereit, uns selbst zu helfen. Darin besteht die Gerechtigkeit des Resonanzprinzips: Es gibt uns nur das, was in unserer Natur liegt. In dieser «göttlichen Ökonomie» geht nicht nur nichts verloren – haben wir sie einmal verstanden, wissen wir auch, dass wir selbst die Mutter oder der Vater des Bewusstseinszustandes sind, in dem wir verweilen und in dem wir nur das zu sehen bekommen, was wir selbst ausdrücken. Egal, wie wir es drehen und wenden: Das Gesetz des Seins wird nie gebrochen. Wir sind immer das perfekte Abbild des Bewusstseinszustandes, mit dem wir uns identifizieren.
«Der Versuch, die Welt zu verändern, bevor wir unser Selbstbild verändern, ist ein Kampf gegen die Natur der Dinge. Es kann keine äußere Veränderung geben, solange es nicht zuerst eine innere Veränderung gibt.»
Das ist, was alle mystischen Erfahrungen uns gelehrt haben: Es gibt keinen anderen Weg zu der äußeren Perfektion, nach der wir streben, als den der Selbsttransformation. Sobald es uns gelingt, uns selbst zu transformieren, wird sich die Welt vor unseren Augen zu der Harmonie, die wir bereits selbst sind, neu formen. Einmal in diesem Vertrauen angekommen, brauchen wir uns auch keine Gedanken mehr zu machen.
Schlussbemerkung
Es sind immer unsere Selbstbilder, die uns befreien oder einengen, auch wenn sie körperliche Vertretungen nutzen mögen, um ihren Zweck zu erfüllen. Haben wir dies erst einmal verstanden und erkannt, dass wir Menschen nicht nur nicht ändern können, sondern sie obendrein nur als Boten dienen, die uns sagen, wer wir sind, gibt es wie keine andere Möglichkeit mehr, als selber tätig zu werden. Einerseits, indem wir erkennen, wer wir sein wollen und an der Seite von welchen Menschen genügend Raum besteht, dieses neue Bild von uns zu leben – oder auch nicht – und andererseits, indem wir realisieren, dass sich unsere Beziehung zu diesen Menschen nur dann ändern kann, wenn wir das Bild verändern, das wir von uns selbst haben. Im Kern ist das die einzige Erkenntnis, die wir brauchen: Es gibt niemanden zu ändern, außer uns selbst. Und in vielen Fällen ist es bereits diese energetische Ausrichtung; weg vom Anderen, hin zu uns selbst, die den Druck aus vielen Beziehungen nimmt und Raum zum Atmen gibt.
Atmen, das wäre vielleicht auch ein guter Anfang.
Sehr anschaulich vermittelt der Beitrag die Essenz der Praxis von Manifestation, die ich vor allem bei Neville Goddard in seinem "Gesetz der Annahme" so eindeutig und kompromisslos beschrieben finde.
Allein die Überschrift des Artikels finde ich nicht passend, denn das "Gesetz der Annahme" Neville Goddards unterscheidet sich in wesentlichen Punkten deutlich von dem, für mich etwas oberflächlichen "Gesetz der Anziehung".
Für mich fußt der Inhalt des Artikels jedoch eindeutig auf das von Neville formulierte Gesetz und beschreibt damit mMn das Wesen unserer eigentlichen Macht als Schöpfer. Manifestation ist etwas ganz anderes als Anziehung.
Vielen Dank für diesen Beitrag.
Alles Liebe
Eckhardt
Moin liebe Lilly,
ich muss ehrlich gestehen, dass ich, auf Grund gewisser Wahrnehmungen, mit Neville Goddard nichts anfangen kann.
Aber das letzte Drittel deines Artikels ist es, der mir etwas in den Sinn kommen liess, was mir eine Zeitgenössin vor ein paar Jahren an den Kopf schmiss.
Sie sagte mir, dass wir, als Seelen gar nichts falsch machen können und dass uns auch gar nichts "geschehen" könne.
Ich habe diese Aussage damals gar nicht greifen können und von daher erkannte ich die Tiefe erst gar nicht. Heute weiss ich um die Tiefe ihrer Aussage und ich weiss, dass sie Recht hatte.
Welch (Selbst)Vertrauen dadurch entstehen mag, wenn die Tiefe dieser Aussage verinnerlicht wird.
Liebe Grüsse,
Basti