Die Gemeinschaft des Radikalen
Blut oder Sache: Über die Brandherde des Nicht-Gelebten und die Nicht-Tragbarkeit der seelisch Unterdrückten. Entwürfe nach Helmuth Plessner. Teil 2 (von 3)
In ihrem Zeichen sind Armeen entstanden und Tausende zum Sterben bereit gewesen: Die Rede ist vom «Idol der Gemeinschaft».
Nachdem ich im ersten Teil dieser Reihe zu Helmuth Plessners 1924 erschienenem Werk «Grenzen der Gemeinschaft» bereits dessen Hauptkritikpunkte wie Sorgen an und um das menschliche Zusammenleben angeführt habe, möchte ich in diesem Text näher darauf eingehen, welche Kräfte und Impulse überhaupt erst dazu führen, dass sich Menschen von der Wirklichkeit abwenden und weshalb diese Kompensationsmechanismen – wider initiatorischer Bestrebungen – erst recht zur Ausbeutung des Menschen führen.
Die Taktlosigkeit der Kulturvergessenen hin oder her: Die Mechanisierung und Hygienisierung des menschlichen Seelenlebens war nicht die einzige Beobachtung, die Plessner seiner Zeit entzog. Im Zusammenhang mit der durch sie hervorgerufenen (Selbst-)Herabstufung des Individuums bemerkte er eine weltweite geistig-politische Rückläufigkeit des Bürgertums. Er verfolgte, wie dessen mittlere Schichten ideell verarmten und sich folglich gegen die Bedrohung der sich gegen sie organisierten Wirtschaftsmächte auch auf keiner anderen Ebene mehr zur Wehr zu setzen wussten, als auf der ökonomischen. Hierbei hätten sie, so Plessner, von dem Moment an, wo sie nicht nur die Methoden des genossenschaftlichen Zusammenschlusses annahmen, sondern obendrein auch seine Ideologie, nicht mehr an ihrem Erhalt, sondern an ihrer eigensten Vernichtung gearbeitet.1
So kam es, dass Plessner — ohne die ab 1933 greifenden Dynamiken groß vorhergesehen haben zu können — bereits zu diesem Zeitpunkt schlussfolgerte, dass es «zwischen Herrenmoral und Gemeinschaftsmoral… ein Drittes, vielleicht Versöhnendes und Weiterführendes» nicht zu geben scheint.
Die Dualität der Selbstaufgabe
Angetrieben von der Suche nach dem sich selbst behauptenden Menschen, der noch versucht, sich aus den radikalen Nöten seiner Innerlichkeit zu befreien, sah Plessner die Gegnerschaft der Gesellschaft aus zwei Haltungen heraus erwachsen: der aristokratischen Herrenmoral, deren Vertreter Friedrich Nietzsche das Individuum über alles stellte; und der sozialistischen Gemeinschaftsmoral, deren Vertreter Karl Marx das Kollektiv über den Einzelnen erhob. Denn obgleich er in beiden, dies sei an dieser Stelle vorweggenommen, mehr die Kasteiung als die Befreiung vom Wesen des Menschen sah, erkannte Plessner obendrein, wie anstelle von etwas «Drittem» die Verbindung von Herren- und Gemeinschaftsmoral, von Bürger und Arbeiter in ihrer jeweiligen Moral seinen Nährboden in den zwei Bündnissen zu finden drohte, denen der Mensch epochen-unabhängig zu verfallen vermag: Die Rede ist von der «Sachgemeinschaft» und der «Blutsgemeinschaft».
Eine «Sachgemeinschaft», folgt man Plessner, entsprach ihrem Wesen nach dem, was die Kommunisten (und zum Teil auch die Nationalsozialisten) zusammenhalten sollte: rational, intellektuell, unpersönlich. In ihrem Glauben daran, dass es für alle Menschen eine gleich gute Lebensweise gäbe, erhebt die «Sachgemeinschaft» theoretischen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und wird damit wissenschaftsgleich. Insofern es ihr in ihrer Lebensferne allerdings nicht gelingt, ihre abstrakten Ideale im täglichen Leben zu verwirklichen, scheitert ihre Arbeit zur Verwirklichung der Idee an der Kürze des Lebens wie der durch Zeit und Kultur beschränkten Freiheit des Einzelnen.
Anders die «Blutsgemeinschaft»: Dort, wo sie sich nicht auf Biologie, Verwandtschaft oder «Gleichgestimmtheit der Seelen» berufen kann, bedient sie sich dem Zeremoniell, um zwecks der Bereitschaft ihrer Glieder, sich für einander und das Ganze zu opfern, diese zur ideellen wie symbolischen Selbstaufgabe zu bewegen. Ihr Ziel ist die spirituelle Bindung, aus «vergossenem Blute» gleich dem Christentum etwas aus dem Opfertode des Herrn erwachsen zu lassen. Zu je größerer Freiheit der Einzelne hierbei aus seiner dumpfen, bislang unhinterfragten Naturgebundenheit der Familie oder des Stammes aufsteige, desto verantwortlicher werde er gegenüber «der Gemeinschaft»2.
Wurzelt demnach sowohl die «Bluts-» wie auch die «Sachgemeinschaft» im «schrankenlosen Vertrauen ihrer Glieder», und entspringt ihrer beiden Anziehungskraft der Überzeugung, «zu wissen, daß man dazugehört», findet sich der Unterschied in ihren Mitteln: So wie sich die «Sachgemeinschaft» nicht dem Krieg, sondern der Überzeugung bedient, liegt auch das gemeinsame Band der «Blutsgemeinschaft» nicht in der Unbegrenztheit einer allgemeingültigen Vernunft der Menschheit, sondern in der Liebe (insofern sich diese jedoch nicht unmittelbar auf ein abstraktes Ganzes richten kann, bedarf die «Blutsgemeinschaft» der direkten Vermittlung über einen Gegenstand, bestenfalls einen «charismatischen Führer», auf welchen sich die «Liebesstrahlen» seiner «Individuen» richten können).
Vertrauen, Zugehörigkeit, Führung: Alles Versprechen, deren Einhaltung mit bestimmten Voraussetzungen einhergeht: Denn gleich die von ihnen gewährte Geborgenheit im Gemeinschaftskreis immer auch «den Verzicht auf Behauptung des eigenen Selbst» bedeutet, findet «dieses Selbst, das dem Ganzen zum Opfer gebracht wird», in jedem Fall seine Vollstreckung: Denn während die Gemeinschaft der Sache gerade die Intimität der Person schone, verlange die «Blutsgemeinschaft», von ihren Mitgliedern, um «im Einklang zur Natur des Ganzen» zu sein, die «Preisgabe letzter Intimität». Somit ist es schlussendlich egal, ob die Selbstaufgabe im Kopf oder im Herzen stattfindet: Indem beide mittels Vergewaltigung seiner Grundbedürfnisse den Menschen auf ein Bild, eine einzige Idee einschwören, bezahlt der Mensch, hier wie dort, «mit seiner individuellen Persönlichkeit, doch in verschiedenem Geist, den Eingang in die Gemeinschaft.»3
Radikalismus als Antwort auf die entgeistigte Wirklichkeit
Ausgangslage wie Endpunkt jener individuellen Selbstaufgabe durch Selbsthingabe an die «Gemeinschaft» bestand für Helmuth Plessner im «sozialen Radikalismus». Dabei verstand er, der seinem Werk den Untertitel «Eine Kritik des sozialen Radikalismus» hinzufügte, unter eben diesem «die Überzeugung, daß wahrhaft Großes und Gutes nur aus bewußtem Rückgang auf die Wurzeln der Existenz entsteht». Radikalismus, das war für Plessner der «Glauben an die Heilkraft der Extreme, die Methode, gegen alle traditionellen Werte und Kompromisse Front zu machen.» Sozialer Radikalismus sei «daher die Opposition gegen das Bestehende, insofern als es immer einen gewissen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Kräften der menschlichen Natur einschließt und den Gesetzen der Verwirklichung, dem Zwang des Möglichen gehorcht.» Die These des Radikalen sei «Rückhaltlosigkeit, seine Perspektive Unendlichkeit, sein Pathos Enthusiasmus, sein Temperament Glut». In seinem Dualismus sei er «die geborene Weltanschauung der Ungeduldigen». Sein Feind sei «die Natur, da sie dem Unendlichkeitsstreben Schranken setzt, sind die Triebe, welche mit den Forderungen, die Sinne, welche mit dem Denken streiten.»4
Die Haltung seiner Anhänger werde, so schloss Plessner, «von einem dauernden Insuffizienzbewußtsein getragen, so daß er es durch Überbetonung der Geistigkeit, durch Verabsolutierung seiner Ziele, durch Überspannung seines Willens zu kompensieren sucht.» Das, was sie plagt, sei folglich nicht primär der Machtmissbrauch der Mächtigen, sondern die zunehmend aufreißende Kluft «zwischen Existenz und Geist, dem überhaupt und dem eben noch Möglichen». Es gilt: «Ohne die Überzeugung des Individualismus, daß nur das wahrhaft gut getan ist, was in der aktuell lebendigen Gesinnung wurzelt, ohne seine Ansicht, daß das Individuum sich selbst genügt und, je mehr es an Selbstgenügsamkeit gewinnt, an Wert gewinnt, ohne den Gedanken der Höherwertigkeit des Autonomen vor dem Heteronomen und schließlich, was damit gegeben ist, ohne die Emanzipation des Geistes von der Wirklichkeit, der Natur, dem Leben, ohne das Prinzip größtmöglicher Bewußtheit ist Radikalismus nicht denkbar.»5
Weil Leben und schlechtes Gewissen haben, Dasein und Verrat am Geiste für ihn ein und dasselbe bedeuten, fühlt sich der Mensch dem Leben und der Wirklichkeit gegenüber in dem Maße hilflos, wie sein unmittelbares Dasein sich selbst entgeistigt. Radikal zu sein, bedeutet für ihn «Moralismus der Leistung, Mißtrauen gegen Freude und Genuß, Verachtung des Scheins, des Leichten, alles dessen, was von selbst geht, Verehrung der Schwierigkeit und nur zu williges Bejahen der Bitterkeiten, die aus der Inkongruenz unseres Willens mit der Welt hervorgehen.» In dieser Strenge bleibt ihm nur ein Gesetz: «Gründlichkeit. Wo es sich um Dinge des Lebens, des Zusammenlebens handelt, wird er durchaus nicht die Hände in den Schoß legen, alles laufen lassen, wie es will, sondern er wird von Grund aus beginnen und Prinzipien zu den allein gestaltenden Kräften zu erheben suchen: seine Gründlichkeit ist ein Ausdruck seiner Vorurteile gegen das Leben. Der Glaube an die Macht des Bewusstseins.»6
Radikale Realitätsabkehr
«Materialität, Ungeistigkeit, Unlebendigkeit»7: So wie Plessner unter Radikalismus die Überzeugung verstand, aus Liebe zur Idee, die gegebene Wirklichkeit vernichten zu müssen, sah er in eben jener Unfähigkeit seiner Anhänger, sich ihrer Unendlichkeit bewusst zu werden, das Auswürfnis ihres Scheiterns an ihrer Realität. Insofern das Grundprinzip des Radikalismus schließlich darin bestünde, sich – in seinem Idealisieren eines Naturzustandes – gegen das Bestehende zu wenden, sei dieser – gleich der «Sachgemeinschaft» – nicht dazu in der Lage, diesen unvereinbaren Widerspruch von geistigem Ideal und tatsächlicher Existenz zu überwinden.
Das erklärte ihn für Plessner zu einem Dualismus: In seinem fortwährenden Kampf gegen die Tatsachen, das Leben und damit schlussendlich das Sein an sich ein vernünftiges, zielorientiertes wie methodisches Vorgehen fordernd, wird er zum Rationalismus. Indem er damit jedoch gerade die Existenz seines methodischen Vorgehens leugnet und die Dinge in ihrem Sein verkennt, erhebt er stattdessen die von ihm idealisierten Kräfte zur Alleinwahrheit und wird, indem er sich auf diesem Wege gegen nichts anderes als die Vernunft starkmacht, zum Irrationalismus.
Dabei war dieser «Irrweg» im Denken, die Kluft zwischen Geistigem und Wirklichen zu sehen, keineswegs etwas Neues. Bereits im Christentum finden wir den Gegensatz von Fleisch und reinem Geist, gefallenem Menschen und Gott. Im Falle des sozialen Radikalismus jedoch wird Gemeinschaft als natürliche Ordnung der wertebasierten Lebensbezüge zwischen den Menschen angesehen, wohingegen Gesellschaft mehr einer anonymen und gewaltsamen Künstlichkeit entspräche. Die Fragen, die sich Plessner diesbezüglich stellte, sind dementsprechend nicht weniger hochtreibend:
«Können die Menschen unter sich nicht ohne Gewalt, ohne Künstlichkeit und Distanz, mit Vernunft und Liebe und Aufrichtigkeit restlos auskommen, wenn sie nur wahrhaft wollen? Lohnt es sich nicht, für dieses Ziel die alten Einrichtungen und Vorurteile dahinzugeben und einmal ganz von vorne, von Grund aus, von der Wurzel des Menschtums her anzufangen? …Wie aber, wenn das psychische Leben die vielleicht widervernünftigen, doch von der Natur erzwungenen Formen des sozialen Verhaltens (die nicht mehr zu überwinden sind, als bis die Natur selbst überwunden ist) von sich aus gutheißen und veredeln kann, weil es sie braucht? Wie dann, wenn die Psyche Gewaltmittel als Schutzmittel der Distanz und Verhaltenheit, Vornehmheit und Künstlichkeit zu ihrer Entwicklung braucht, weil sie durch allzu große Nähe, durch restlose Aufrichtigkeit und Unverhülltheit leidet und Schaden nimmt? Wie, wenn die Seele des Menschen als das absolut Mehrdeutige, das undurchsichtig, verborgen, geschont, also, selbst wenn es eindeutig bestimmbar wäre, mehrdeutig bleiben soll, damit es seine schöpferische Kraft im Geiste behält, die Gewalt in irgendeinem Sinne bejahte?»8
Waren es zu Beginn nur Fragen wie «Wo fängt eine Geselligkeit an, wo hört sie auf? Wo geht sie in Geschäftlichkeit über?» oder «Wo beginnt die Vertrautheit der Gemeinschaftskreise, wo ist es uns erlaubt, zu entspannen und auf Güte, Liebe, Verständnis und Einsicht zu bauen?»9, galt dieser Tiefgang Plessners nicht mehr der Frage danach, wie sich Gemeinschaft zu gestalten habe, sondern ob sie überhaupt in irgendeiner Form gestaltbar wäre, ohne den Menschen in seiner zu verbiegen. In ihrer angestrebten Aufhebung der Ungleichheit und der Grenzen zwischen den Menschen sah Plessner nicht nur einen Mangel an Möglichkeit zur Einsamkeit zwecks eigener Entwicklung, sondern eine Gefährdung des Menschen als solchen. Folglich reichte es ihm auch nicht, dem «Idol der Gemeinschaft» eine «Anziehungskraft auf die Schwachen dieser Welt» zuzugestehen; er bezeichnete sie als «Ideologie der Ausgeschlossenen, Enttäuschten und Wartenden, des Proletariats, der Verarmten und der die Ketten noch frisch spürenden Jugend, gerechtfertigt als Protest der unter Großstadt, Maschinentum und Entwurzelung Leidenden»10.
Das Gefälle von Liebe und Amoralismus
Unmittelbarkeit macht die Dinge nicht weniger traurig: Gefangen in «der zunehmend berufsmäßigen Dissoziierung des Lebens, die sich unter dem Zeichen des extremen Rationalismus vollzieht»11, scheint die moderne Welt nicht anders zu können, als «in der Isolierung ihrer eigenen Komponenten den Radikalismus, die Entgeistigung der Wirklichkeit» fortzuleben. Man fragt sich zu Recht, wie oft der Mensch noch an diesen Punkt kommen muss. Und warum. Warum gelingt es uns nicht, die Distanz aufzuheben? – die zu einander wie zu uns selbst. Warum schaffen wir es nicht, in eine Form des Kontakts zu treten, die nicht auf Idealisierung und Selbstverneinung basiert?
Umhüllt von «einer Sphäre ohne Liebe, ohne Überzeugung als bindende Weisen von Mensch zu Mensch»12 scheint es gemäß Plessner keinen Ausgleich der Gegensätze zu geben, sondern nur ihre Vermittlung im Wege des Übereinkommens. Aber was bedeutet das? Folgen wir Plessner, wird solange kein System entstehen können, das nicht der geistigen Natur des Menschen widerspricht, wie dieser die Entscheidungsgewalt darüber, wie sich dieses zu gestalten habe und worin die Natur derjenigen besteht, denen es entsprechen soll, weiterhin an eine höhere Macht abgibt. Ein menschenwürdiges System, so Plessner, könne erst dann entstehen, wenn es auch seine Abnehmer fände.
Es brauche den «Mut zur Sünde», sprich die Auflehnung gegen das, was den Menschen bis dato von ihren Führern als «Moral» verkauft wurde. Denn insofern der Radikalismus in Hinblick auf die Behauptung der Macht eine Gewissenlosigkeit vertritt und den Menschen in dieser Perspektive auf die Stufe des Tieres oder Automaten herabsinken lässt, gilt es laut Plessner eine Geisteshaltung einzunehmen, die ihren Sinn auf Verwirklichung richtet13. Er schreibt: «Mit der Wirklichkeit rechnen, heißt mit dem Teufel rechnen. Und mit dem Teufel rechnen, ohne ihm zu verfallen, ohne zu entarten, ist eine schwere Kunst, das wahre Problem einer Ethik, nicht der einfachen Negation der Widerstände gegen die Forderungen der Ehrlichkeit, Überzeugung und Liebe, sondern einer Ethik des Ausgleichs, der wahren Mitte.»14
Diese Mitte bestand für Plessner weder in der Aufopferung der Gemeinschaftsmoral, noch in dem gerade angeklungenen Amoralismus, wie ihn Nietzsche propagandierte. Anders als von Nietzsche vielleicht gedacht, kam sein Gedanke der Herrenmoral in letzter Instanz nämlich nicht dem Individuum als solchem zu: Vielmehr verfehlte seine Philosophie die Natur des Menschen als solche, da dieser sein Gewissen schließlich nie endgültig loswerden könne, sondern höchstens unterdrücken. Gewissensunterdrückung jedoch, so Plessner, führe nur zur Verstärkung der Gewissensbisse wie zu ihrer Entartung.
So lässt sich zuletzt vielleicht noch anführen, dass der Kern von Plessners Kritik zeigen sollte, dass die vermeintliche Alternative zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft keine Frage der historischen Rahmenbedingungen ist. Sie ist ein strukturelles Problem. Ein Problem, aus dem sich Schlusszitat wie Überleitung dieses Textes auf den dritten und letzten Teil dieser Reihe entwickeln soll:
«Man kann das Problem einer Kritik des sozialen Radikalismus, wie man sieht, auf die Formel bringen: Läßt sich in einem idealen Zusammenleben der Menschen die Gewalt ausschalten? Verträgt es sich, wenn die physische Seinszone, die ja dem Menschen auf Schritt und Tritt Gewaltmittel niederster Art aufzwingt, mit seiner seelisch-geistigen Persönlichkeit, ohne Gewaltmittel, ohne Künstlichkeit und Verhaltenheit auszukommen? Soll und darf der Mensch sogar als außerleibliche Person ausschließlich die Werte der Aufrichtigkeit sich zur Richtschnur machen, soll und darf er sogar als Seelenwesen und Geistwesen überall direkt sein? Gibt es nicht auch Werte der Indirektheit und lassen sich diese Werte nicht nur in einer - wie immer speziell gearteten - gesellschaftlichen Lebensordnung erfüllen und nie in einer Gemeinschaft? Hat die dualistische Anthropologie recht, wenn sie den Menschen als Seele und Geist einer unsinnlichen Gemeinschaft eingliedert und darum jede Gesellschaft mit dem Makel der Minderwertigkeit, weil der Erzwungenheit durch die bloß physische Existenz, behaftet?»15
Plessner, H. (2002). Grenzen der Gemeinschaft: eine Kritik des sozialen Radikalismus. Frankfurt am Main (Suhrkamp), Seite 42.
Ebenda, Seite 44.
Ebenda, Seite 58.
Ebenda, Seite 14.
Ebenda, Seite 16.
Ebenda, Seite 15, eigene Hervorhebung.
Ebenda, Seite 17f.
Ebenda, Seite 132.
Ebenda, Seite 108.
Ebenda, Seite 28.
Ebenda, Seite 18.
Ebenda, Seite 98.
Ebenda, Seite 19.
Ebenda, Seite 126.
Ebenda, Seite 25.