In meinem vorletzten Text kam einiges zusammen: Die Vergrauung der Welt durch mehr und mehr Zeitersparnis, die Entfremdung von der Natur und uns selbst, als auch die Spirale an Angst und Verdrängnis, die uns daran hindert, das zu sehen, was ist. Beispielsweise die Welt, unsere Mitmenschen, und wie wir mit ihnen in Beziehung treten, oder eben auch uns selbst; so wie wir unserem Wesen nach wären, würden wir uns – und unsere Mitmenschen – nicht fortwährend belügen. Dabei tun wir genau das. Tag für Tag, Begegnung für Begegnung, Gedanke für Gedanke. Die Maske sitzt fest. Und mit jeder Selbstlüge, mit jeder weiteren Zurschaustellung dessen, was wir niemals sein werden, verschmilzt sie etwas mehr mit unserem eigentlichen Gesicht. Das Ganze geht so weit, dass wir nicht einmal mehr bemerken, dass wir eine Maske tragen. Die Selbstlüge wird zur Verwahrheitung unseres Ich. Und unser Ich verkommt zur Verleumdung unseres Selbst. Solange, bis wir gar keins mehr haben. Oder uns nicht einmal mehr daran erinnern können, jemals eins gehabt haben zu sollen.
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Die Gedanken, die mir beim zunehmenden Eingeständnis dieser – in seiner Bedeutung wortwörtlichen – Selbst-losigkeit kamen, drehten sich vorrangig um die Frage danach, ob es die Menschen selbst sind, die sich ihr Gefängnis bauen, oder ob es da noch eine andere Ebene gibt, die diese Welt zur Unwahrheit verführt. Aus anthroposophischer Perspektive beschrieb ich hierzu bereits ausführlich die Charakteristika jener Kräfte, die den Menschen auf geistiger Ebene beeinflussen. Hervozuheben seien in diesem Kontext neben Luzifer, Ahriman oder Sorat, besonders die asurischen Kräfte. Über Sie schrieb ich in meinem Text über «Das Widerstreben geistiger Mächte» Folgendes:
«Die asurischen Geister des Egoismus lähmen nicht nur das Ich, oder blockieren das Selbst – sie bezwecken die totale Vernichtung des Selbst. Ihr Ziel besteht darin, durch die unwiederbringliche Zerstörung des Ichs der Menschen eine Ich-lose Gesellschaft der seelenlosen Mechanisierung entstehen zu lassen.»
Entsprechend schrieb auch Friedrich Glasl in seinem Buch «Mephistos Lektionen»:
«Die Asuras setzen bei der Bewusstseinsseele an, und ihr Ziel ist die Zerstörung des Ich des Menschen. Denn nur das Ich des Menschen hat in sich die Kraft, durch das Ringen mit den Versuchungen höhere moralische Kräfte zu entwickeln und dadurch das Böse zu überwinden. Mit der Zerstörung des Ich stellen sich die Asuras grundsätzlich gegen die Entwicklung des Menschen.»1
Oder Segej O. Prokofieff, der, nachdem er sich eingehend mit Rudolf Steiners Aussagen zum «radikalen Bösen» befasst hat, schrieb, dass Asuras die Menschen zu einem bloßen Werkzeug verkommen ließe,
«das weder Gewissen, noch Moral, noch Überzeugungen hat. Infolgedessen tritt nun das Böse, das Menschen tun, nicht aus falschen Überzeugungen oder Ideologien, nicht aus Egoismus und Geldgier oder Begierden und so weiter auf, sondern es wird das Böse einfach um des Bösen willen getan, sinnlos, durch keine rationalen und emotionalen Gründe erklärbar. Ein solches Böses kann ein normaler menschlicher Verstand weder begreifen noch mit ausgeklügelten psychologischen Theorien erklären.»2
Angstmaskeraden
Unwissen, Bosheit oder reine Verblendung? Ich persönlich weiß es nicht. Und ich glaube auch nicht, dass sich diese Frage so pauschal beantworten, geschweige denn auf eine Kraft zurückführen lässt. So ist das Einzige, was ich kann, beobachten. Und beobachten tue ich nun einmal eine zunehmende Tendenz zur Empathielosigkeit, zur Unverbindlichkeit, zur Wahllosigkeit, bis hin zur Rücksichtslosigkeit oder gar Gnadenlosigkeit; kurzum: eine Vergrauung jenes «Dazwischen», wo im Rahmen von Menschlichkeit einst noch Herzenswärme und wahre Anteilnahme herrschten.
Oft habe ich den Eindruck, die Menschen hätten kein Interesse mehr aneinander, kein ehrliches zumindest. Als sähen sie sich nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen, im Privaten und innerhalb der Familie nicht mehr als lebendige Gegenüber, deren primäres Interesse darin besteht, miteinander in Beziehung zu sein. Nein. Diese Reziprozität, diese einst auf ehrlicher Zuwendung beruhende Gegenseitigkeit hat sich selbst pervertiert: Wichtig ist fortan nicht, wie wir miteinander in Beziehung treten und von welcher Tiefe der Kontakt ist, auf den wir uns gemeinsam einlassen; – wichtig ist, dass diese «Beziehung» zu unseren Gunsten ausfällt und wir aus diesem «Kontakt» für uns einen Nutzen ziehen können. Das Gegenüber als Mensch und mögliches Individuum spielt hierbei gar keine Rolle mehr. Wichtig sind wir. Ausschließlich wir.
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Die Dynamiken, die hinter dieser vorrangig auf Eigeninteressen beruhenden Beziehungslosigkeit habe ich in meinem Text über «Die Grauen Herren» bereits angesprochen: Aus der grundsätzlichen Unehrlichkeit mit uns selbst heraus, sind wir es gewöhnt, große Teile unserer fehlenden Innerlichkeit fortwährend mit neuen Bildern und Filmen zu überspielen. Wir erzählen uns und unseren Mitmenschen Geschichten über unser Ich, und spannen dabei unsere gesamte Umwelt mit ein in unseren Film. Jeder Mensch in unserem Leben dient uns in diesem Sinne als Statist, der seine Rolle oder Funktion dahingehend erfüllen soll, uns, den Hauptdarsteller oder die Hauptdarstellerin dieses Films, in seinem oder ihrem besten Licht erscheinen zu lassen. Fällt dieser Mensch jedoch aus seiner Rolle und damit der Scheinwerfer für einen Moment mal von uns ab – oder noch schlimmer: auf eine Stelle, die nicht beleuchtet werden soll –, schmeißen wir diesen Menschen vom Set und besetzen ihn neu. Mit jemandem, der unser Skript nicht hinterfragt.
Dieses Theater können wir lange spielen. Wir können Menschen für uns und unser Leben «casten» und sie darauf programmieren, das Bild, das wir von uns preisgeben, nicht zu hinterfragen. All das jedoch geht auf das Konto unserer unsicheren Persönlichkeit, die meint, durch die Maske ihres Ichs das kompensieren zu müssen, vor dem sie Angst hat, es zu verlieren. Beispielsweise ihre Identität. So gehen wir, eben weil wir uns unsere eigene Unehrlichkeit nicht eingestehen können, diesen Deal auch mit unseren Mitmenschen ein. Vorrangig mit jenen, die dieses Spiel auch mit sich selbst spielen und folglich dankbar dafür sind, jemanden als Gegenüber zu haben, der ebenso wenig an ihrem wahren Wesen interessiert ist wie er oder sie selbst. Das Commitment ihrer Dynamik beruht auf Alibis: «Trägst du die Bequemlichkeit meiner Komfortzone, trag ich die Lüge deiner Täuschung.» Diese Bedingungslosigkeit jedoch hat nichts mit wahrem Kontakt, geschweige denn mit Liebe zutun. Sie ist der Freibrief, niemals den Druck verspüren zu müssen, selbst die Veränderung sein zu können.
Bewusstseinsplandemien
Wie tief diese Agreements reichen, haben die vergangenen vier Jahre gezeigt: Die Identifikation vieler Menschen mit dem, wo sie – größtenteils unhinterfragt – «mitgemacht» haben, war in vielen Fällen unvereinbar mit dem fortwährenden Kontakt jener Menschen, die nun einmal nicht «mitgemacht» haben. Die reine Tatsache, dass sich jemand in seinen Entscheidungen nicht auf dieselben «Fakten» und «Tatsachen» stützt wie man selbst, galt als Grund zum Kontaktabbruch. Diese Unfähigkeit, auch nur den Gedanken zuzulassen, neben der eigenen Wahrheit existiere eine weitere, ging bei vielen derart an die Substanz, dass sie wie nicht anders konnten, als dieses «andere» zu bekämpfen. Im Außen wie in ihrem eigenen Inneren, dort wo sie es selbst nicht leben können.
Die Gründe der Entselbstung spielen folglich erst einmal eine untergeordnete Rolle. Blockade oder Vernichtung unseres Selbst durch geistige Kräfte, Zerstörung der Bewusstseinsseele durch die Asuras, Verblendung durch Selbstlüge oder Indoktrination durch die Medien hin oder her: Der Faktor, der meiner Ansicht nach am wenigsten zu unterschätzen ist, wollen wir die Gründe von angstbasiertem und herdenorientiertem Verhalten verstehen, ist der Umstand einer wackeligen Identität. Denn wenn ich in meiner Urteilskraft nicht auf meine eigene Recherche; auf mein Selbst, meine Intuition oder mein Bauchgefühl vertrauen kann, bin ich in dieser Hinsicht stets angewiesen auf etwas oder jemanden im Außen, der mir sagt, was richtig und was falsch ist. Und wenn ich diese Verantwortung einmal abgegeben habe, und dann jemand daherkommt, der sie für sich selbst jedoch ergriffen hat und entsprechend zu einer anderen Schlussfolgerung und folglich Entscheidung gekommen ist, kann dies sehr unangenehm für mich werden. Schließlich weist dieser andere Weg an Urteilsfindung nicht nur auf die (innere) Freiheit hin, sich auch anders entschieden haben zu können; er impliziert auch die Möglichkeit, selbst falsch zu liegen.
Dieses Eingeständnis scheint jedoch zu den größten Unmöglichkeiten des Menschen zu gehören. Einmal gedacht und geglaubt, immer gedacht und geglaubt. Die besten Beispiele hierfür sind 9/11, wozu im deutschsprachigen Raum Daniele Ganser oder auch Mathias Bröckers eine Aufklärungsarbeit geleistet haben, die jedes Medienecho der vergangenen 20 Jahre als das entlarven sollte, was es war und ist: der Versuch, eine Welt aufzubauen, die denselben Prinzipien folgt, die wir auch auf unser Innenleben anwenden. Lüge, Unwahrheit, Wirklichkeitsentzug. Erstaunlich, oder vielmehr: erschreckend, auf wie viele Menschen dieses Angebot einer Welt, die vollends von dem entkoppelt ist, was ist, seine Anziehungskraft entfalten konnte.
Nichtsdestotrotz: Auch zu den Themen Klimawandel, Geoingeneering, der angeblichen Mortalitätsrate eines Virus oder der vermeintlichen Wirksamkeit seines Gegenmittels gab es in den vergangenen Jahren genügend Menschen, die sich aus ihrem eigenen Wunsch nach Wahrheit ihrer Verbewahrheitung angenommen haben. Ich denke hier an Wolfgang Wodarg, Sucharit Bhakdi und Karina Reiss, Tom Lausen, Boris Reitschuster und viele mehr. Alles Menschen, deren Recherchen trotz aller Expertise und Sorgsamkeit im Umgang mit Mutmaßungen und Daten abermals nur von denjenigen gehört wurden, die sie auch hören wollten. Die auf einer bestimmten Ebene offen dafür waren, jenen «alternativen» Fakten zuzuhören und sie hinsichtlich ihres bisherigen Weltbildes selbst zu prüfen.
Lange habe ich mich – oder haben wir uns – gefragt, welchem Kriterium die Entscheidung unterlag, die «Pandemie» als solche, oder zumindest ihre Maßnahmen, zu hinterfragen. Ob Entscheidungen bewusst getroffen wurden und welches Maß an Zurechnungsfähigkeit den einzelnen Akteuren noch zuzusprechen gewesen sei; oder ob – so lautete ja auch meine These im graue Herren Text – die fortgeschrittene Selbst-losigkeit dieser Menschen ihre Entscheidungsgewalt bereits grundsätzlich infrage stellt. Inwieweit sind die Menschen bereits so sehr im Außen, als dass sie gar nicht mehr anders können, als ihr Leben übergeordneten Bahnen und grundlegenden Dynamiken unterzuordnen? Oder anders gesagt: Inwieweit sind sie Teil des Systems und inwieweit sind sie bereits das System? Wenn auch Massenpropaganda, Angst und Indoktrination hierfür anschauliche, in ihrer Verstehbarkeit greifbare Theorien sein mögen, «braucht» es sie meiner Meinung nach nicht, wenn wir verstehen, worum es im Kern geht. Denn was führt dazu, dass der Mensch überhaupt erst anfällig ist, manipuliert zu werden? Gleich ich an dieser Stelle auf zwei frühere Texte von mir über die Dressur der Seele und dem Ende der Freiheit durch Ideologie verweisen möchte, lautet meine heutige Antwort an dieser Stelle wie folgt:
Der Grad an Anfälligkeit eines Menschen gegenüber Angst und Propaganda hängt ab von seinem Maß an innerer Zugehörigkeit mit sich selbst.
Entscheidend ist folglich unser Level an Fremdidentifikation: Wie viel unserer Persönlichkeit findet sich in unserem im Außen orientierten Ich, und wie viel Kontingenz und Kongruenz besitzen wir zu unserem Selbst? Wie zugänglich ist uns unser Innerstes für unser Handeln und Fühlen? Und wie viele Anteile unseres Selbst konnten wir bislang (nicht) in dieses integrieren? Sind wir frei in unserer Art und Weise, mit der Welt in Beziehung zu treten? Handeln wir im Sinne unserer selbst? Sind wir unser Selbst? Oder wird dieses Selbst durch derart viel Fremdidentifikation überlagert, dass wir dieses Selbst gar nicht mehr leben können, weil unser abhängiges und angstgetriebenes Ich uns jeden Zugang zu unserem Innersten versperrt?
Wo immer diese Verbindung zu unserem Wesen fehlt, – unabhängig davon, ob wir sie breits leben können –, sind wir in dem, was wir meinen zu wollen, zu glauben, zu denken und zu fühlen anfällig für jedwede Art der Manipulation. Die durch andere Menschen oder Systeme, aber auch für die unserer eigenen Gedanken, unserer eigenen, angelernten oder geerbten Glaubenssysteme. Diese Einflussnahme jedoch bleibt im Dunkeln. Unser Ich agiert im Unbewussten. Losgelöst von unserem Selbst sind wir nicht nur unfähig, dies zu erkennen, – unsere Ängste verhindern zugleich, dass wir uns darüber bewusst werden, dass wir uns bestimmter Dynamiken unseres Denkens und Handeln nicht bewusst sind.
Fragt sich also, was dort in der Dunkelheit auf uns wartet, was wir nicht sehen wollen? Ein Zitat, das diese Dynamik zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten demonstriert, stammt von Erich Fromm: «Während wir bewusst Angst haben, nicht geliebt zu werden, besteht die wahre Angst, obwohl sie oft unbewusst ist, darin, tatsächlich zu lieben.» Oder anders gesagt: Während wir glauben, dass wir Angst hätten, nicht von einem anderen Menschen geliebt zu werden, ist es in Wahrheit das Lieben selbst, vor dem wir Angst haben. Und diese Angst vor dem Lieben? Die geht zurück auf das tiefe Gefühl, zerbrechlich zu sein. Und diese Zerbrechlichkeit? Ihren Ursprung finden wir in jener Sicherheit, die wir nicht nur nie «bekommen» haben, sondern uns auch selbst niemals geben konnten. Was uns fehlt, ist das tiefe Vertrauen in unser eigenes Sein.
Schluss: Bewusstseinsbildung ist Eigenverantwortung
„Fast unser ganzer Geist ist unbewusst. Wir müssen lernen, mit diesem mysteriösen Teil unseres Geistes zu kommunizieren. Dieser hat seine eigene Sprache und Symbole helfen uns, ihn zu entschlüsseln.“ — Elsa Punset
Wie behelfen wir uns nun aber, haben wir einmal den Zugang zu unserem Unterbewusstsein und den Archetypen verloren? Mag für manche die Lösung darin bestehen, die Schuld und Sühne bei ihren Eltern, früheren Generation oder «dem System» zu suchen und damit fortwährend mit ihrer Identifikation darin gefangen zu bleiben, was ihnen «widerfahren» ist oder «angetan» wurde, glaube ich persönlich nicht daran, dass «die Lösung» in der Vergangenheit zu finden ist. Denn in der Vergangenheit können wir nur eines: verstehen. Im Verstehen jedoch liegt nicht die Lösung. Die Lösung liegt im Fühlen. In der Integration von Gefühlen. Und dieses Fühlen, das können wir nur im Hier und Jetzt.
Folglich ist es die Frage danach, wie wir dieses Hier und Jetzt möglichst lebensnah gestalten können. Für mein Empfinden bestünde an dieser Stelle ein Weg darin, diesen Zugang durch bewusstseinsbildende Bilder der Kunst, Literatur oder Musik wieder herzustellen. Eben durch Wege der Sinneserfahrung, die uns, nachdem wir nicht nur das Gefühl zu uns verloren, sondern sogar gänzlich vergessen haben, wie es sich anfühlt, zu fühlen, dabei helfen, uns daran zu erinnern, wie sich gelebtes Fühlen anfühlen könnte – die uns in ihrer eigenen Ursprünglichkeit an unsere eigene Ursprünglichkeit, an das Wesentliche in uns zurückerinnern. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Werk von Hermann Hesse. Kaum einem anderen Autor ist es gelungen, seine Leser hinsichtlich ihrer Individuation derart an die Hand zu nehmen, ohne sie an die Hand zu nehmen. Eben dadurch, dass seine Figuren wie Harry Haller oder Emil Sinclair für etwas Größeres stehen. Für das zutiefst Seelische in jedem von uns. Und während einen wunderschönen Text zu Hesses Steppenwolf erst kürzlich meine liebe Freundin Anna auf ihrem Substack veröffentlichte, finde ich es allgemein erstaunlich schön und zugleich bezeichnend, mit wie vielen Menschen in meinem Leben ich diese Nähe zu Hesse teile. Als wäre die Sensibilität und Erkenntlichkeit für seine Zeilen selbst eine Art Erkennungsmerkmal.
Während es sicherlich noch unzählige andere Pforten der (Selbst-)Wahrnehmung gibt; beispielsweise die Filme von Wim Wenders, Werner Herzog oder Andrei Tarkowski, weiß jeder, der mich und meine Texte nun schon länger verfolgt, dass es für mich keinen ganzheitlicheren Weg gibt, um zu sich selbst zu finden, als den in und mit der Natur. Während ich diesbezüglich gerne «Auf Spurensuche nach Natürlichkeit» von Bastian Barucker, das wohl ganzheitlichste Buch, was ich in letzter Zeit gelesen habe, empfehlen möchte, kann ich an dieser Stelle gleich noch zwei Texte über Geomantie ankündigen, wie auch einen, in dem ich genauer auf den «Schleier des Vergessens» und das bereits angesprochene Buch «Das indoktrinierte Gehirn» von Dr. med. Michael Nehls eingehen will… Doch ehe ich jetzt noch weiter aufzähle, welchen Themen ich mich zukünftig noch so alles widmen wollen würde, hielten der Sommer und das Leben nicht so viele schöne Dinge und Begegnungen für mich bereit, möchte ich diesen Text gerne mit der folgenden Passage Rilkes schließen:
«Wenn ich die Kunst als eine Lebensanschauung bezeichne, meine ich damit nichts Ersonnenes. Lebensanschauung will hier aufgefaßt sein in dem Sinne: Art zu sein. Also kein Sich-Beherrschen und – Beschränken um bestimmter Zwecke willen, sondern ein sorgloses Sich-Loslassen, im Vertrauen auf ein sicheres Ziel. Keine Vorsicht, sondern eine weise Blindheit, die ohne Furcht einem geliebten Führer folgt. Kein Erwerben eines stillen, langsam wachsenden Besitzes, sondern ein fortwährendes Vergeuden aller wandelbaren Werte. Man erkennt: diese Art zu sein hat etwas Naives und Unwillkürliches und ähnelt jener Zeit des Unbewußten an, deren bestes Merkmal ein freudiges Vertrauen ist: der Kindheit. Die Kindheit ist das Reich der großen Gerechtigkeit und der tiefen Liebe. Kein Ding ist wichtiger als ein anderes in den Händen des Kindes. Es spielt mit einer goldenen Brosche oder mit einer weißen Wiesenblume. Es wird in der Ermüdung beide gleich achtlos fallen lassen und vergessen, wie beide ihm gleich glänzend schienen in dem Lichte seiner Freude. Es hat nicht die Angst des Verlustes. Die Welt ist ihm noch die schöne Schale, darin nichts verloren geht. Und es empfindet als sein Eigentum Alles, was es einmal gesehen, gefühlt oder gehört hat. Alles, was ihm einmal begegnet ist. Er zwingt die Dinge nicht, sich anzusiedeln.»
i Glasl, Friedrich (2022): Mephistos Lektionen. Wie das Böse im Individuum und im Sozialen wirkt. Dornach (Verlag am Goetheanum) Seite 101ff.
Sergej O. Prokofieff zitiert nach Glasl, Seite 103.
Erst mal vielen Dank für deine berührenden Texte. Wenn ich deine Worte zu Hermann Hesse lese, dann finde ich es bezeichnend, dass viele Menschen Hermann Hesse kennen, aber kaum einer seinen "Lehrmeister", Artur Gusto Gräser. Auch er selbst erwähnt ihn nirgendwo, denn Gusto Gräser lebte das Leben, von dem Hesse immer nur schrieb. http://www.gusto-graeser.info/Leben/leben_index.html
Die subtile gesellschaftliche Aussage könnte lauten, du darfst gerne kritisch denken und auch schreiben, aber hüte dich davor, so zu leben.
Vielen Dank für diesen sehr dichten Text, in dem du ganz viel dessen, was ich fühle, in wunderbare Sprache gefasst hast. Das klingt enorm in mir an und ich bin geneigt, ganz viele deiner Gedanken kommentieren zu wollen. Erkennend, dass dies nur ein Wiederholen in meiner weniger brillanten Ausdrucksweise wäre, lasse ich es sein.
Nur einen Punkt greife ich nochmals auf: als professionell ausgebildete Musikerin habe ich mich längst vom Leben und Arbeiten in dieser künstlichen Welt voller Ellbogentum, Selbstdarstellungskult, Deutungskampf bzw. Suche nach immer absurderer Darstellungskunst verabschiedet.
Umso dankbarer und berührter las ich dann in Raymond Ungers Buch "Die Heldenreise des Bürgers...", wie er etwa im letzten Viertel des Buches seine Irriatation beschreibt, als er in Berlin auf die Künstlerszene traf. Unger sieht durch Kreativität die Möglichkeit, sein innerstes Wahrnehmen, zu entdecken, (wieder) zu fühlen, zu durchdringen und dann in seinen Bildern und auch in seinen Büchern zum Ausdruck zu bringen. "Kunst vorwiegend denkend zu erschaffen, ist ein effektiver Schutz vor Selbstbegegenung, denn: Denken und Fühlen schliessen sich aus."
Ich gehöre leider nicht zu denjenigen Sängerinnen (klassisch ausgebildet), die ihre Lieder und Texte selber schreibt, sondern re-produziere nur das bereits Erschaffene anderer Komponisten, trotzdem kann ich bestätigen, dass dies ebenso ein gewisses Mass an Neu-Schöpferkraft entfalten kann, die im Inneren und dann im Aussen wirkt - sofern sie ganz aus dem Fühlen kommt...
Nur 1-2 Stunden nach Beendigung der Lektüre von Ungers Buch fiel mir damals Kerstin Chavents Buch "Der Königsweg" in die Hände und kann nur empfehlen, beide Bücher nacheinander zu lesen, sie ergänzen sich wunderbar.